Oh, Verzeihung, hab euch gar nicht bemerkt. Wir mussten nur gerade einen Blick auf den Kalender werfen – es ist 2020, oder?

Wir wollten uns nur vergewissern, denn wir haben gerade die vollständige Gameplay-Enthüllung von Baldur’s Gate III gesehen und hatten starke Flashbacks in die 90er. Als Larian Studios – das Team hinter Divinity: Original Sin und dessen Fortsetzung – bekannt gaben, dass sie die Fortsetzung des Baldur’s Gate-Franchise entwickeln würden, reagierten wir sowohl mit Freude als auch mit nervöser Erwartung. Larian schafft es zweifellos, ein herausragendes CRPG zu entwickeln, aber wie würde ihnen hier der Zugang gelingen?

Wir haben sämtliches Gameplay-Material von der PAX East etliche Male gesehen und sind bereit genauer zu analysieren, inwiefern Larian Studios Baldur’s Gate III von der Divinity-Serie abgrenzt, um ein echtes Dungeons & Dragons-Erlebnis zu schaffen.
DUNGEONS, DRAGONS UND WÜRFEL
Auf den ersten Blick mag die Besorgnis über Ähnlichkeiten durchaus begründet erscheinen. Rein optisch. Baldur’s Gate III sieht Divinity doch recht ähnlich. Auch der Echtzeitkampf der ursprünglichen Spiele entfällt und wird durch ein rundenbasiertes System ersetzt, für das das Studio bekannt ist. Aber lasst euch davon nicht täuschen. Im Kern handelt es sich um ein D&D-Spiel, und wie der Eröffnungstrailer zeigte, werden Drachen und Dungeons mit Sicherheit auftauchen und – was noch viel wichtiger ist – die Würfel ebenfalls.

Hauptsächlich wird der Pen-&-Paper-Ursprung von Baldur’s Gate im Spiel durch D20-Würfelwürfe realisiert, die infolge von Fertigkeitsprüfungen durch eure Gruppe stattfinden. Im Kampf oder während des Erkundens seht ihr dies in Echtzeit durch ein aufblinkendes Würfelsymbol, bevor ihr über Erfolg oder Misserfolg informiert werdet. Diese passiven Prüfungen können sich während der Reise durch die Welt auf alles Mögliche beziehen, vom Aufrechtstehen in unwegsamem Gelände bis zum Aufspüren eines geheimen, unter Ranken versteckten Durchgangs.
 
Bei wichtigeren Dialogoptionen wie dem Versuch, einen NSC zu belügen oder zu überzeugen, müsst ihr selbst würfeln, damit ihr genau seht, was ihr für einen Erfolg benötigt, bevor ihr unweigerlich einen weiteren entscheidenden Fehlschlag würfelt.

Genau wie bei Dungeons & Dragons basiert jede dieser Prüfungen auf den Fähigkeitswerten eurer Charaktere sowie auf ihren Boni bei einer Vielzahl von Fertigkeiten. Zwar kann die Wahrnehmung entscheidend sein, um beispielsweise versteckte Fallen in einem Dungeon aufzuspüren, aber Überleben ermöglicht es euch, Kenntnisse und Informationen über die lokalen Pflanzen und Tiere abzurufen. Dadurch bestimmt die Art und Weise, wie ihr jeden einzelnen Charakter aufbaut und die Zusammensetzung der Gruppe, euren Weg durch die Welt.
 
KONTROLLIERT DAS SCHLACHTFELD
Die Divinity: Original Sin-Spiele sorgten nicht nur für Furore in der RPG-Szene; sie veränderten das Kampfgeschehen von Grund auf, indem sie Blutlachen, Gaswolken, elektrische Felder und andere Elemente auf dem Schlachtfeld hinzufügten. Das war ein Riesenspaß, aber Baldur’s Gate III soll den Kämpfen ein viel stärkeres Gefühl für Physik und Körperlichkeit verleihen. Ihr werdet nach wie vor mit Magie von den Elementen profitieren können und sogar die Möglichkeit haben, Waffen und Pfeile in nahegelegene Feuer oder andere Elemente, denen ihr begegnet, zu tauchen. Jeder Charakter hat außerdem Zugang zu einer Reihe physischer Fähigkeiten, einschließlich des Werfens von Gegenständen und Ausrüstung (und sogar Feinden, wenn sie stark genug sind), des Schubsens von Gegnern, auch von Felsvorsprüngen, oder des Aufhelfens derer, die Hilfe benötigen.
Auch das Schleichen ist anders. Wie bei D&D hängt es von der Umgebung ab, wie gut man versteckt ist, vor allem von den Lichtverhältnissen. Das Lauern im Schatten bietet die Möglichkeit, unentdeckt zu bleiben, auch wenn feindliche Sichtkegel vorbeiziehen. Und damit euch keine Gelegenheit entgeht, könnt ihr jetzt außerhalb des Kampfes eine rundenbasierte Zeitsteuerung aktivieren, um euch in Position zu begeben, noch bevor der Kampf überhaupt beginnt. Wenn ihr den rundenbasierten Modus außerhalb des Kampfes aktiviert, habt ihr sechs Sekunden Zeit für Aktionen, bevor die Welt in gleicher Weise reagiert. Da klingt es plötzlich viel verlockender, einen hinterhältigen Schurken zu spielen.

All das kombiniert mit der neuen „Sprungkraft“, mit der man Schluchten überwinden oder Dächer überqueren kann, gewinnt die Kontrolle über das Schlachtfeld – und die Höhe – plötzlich an entscheidender Bedeutung. Jeder Charakter auf einer Seite des Gefechts führt gleichzeitig sämtliche Züge durch. Das bedeutet, dass eure gesamte Gruppe vereint zuschlagen kann, wenn es euch gelingt, dem Gegner zuvorzukommen. Dies ist aus kooperativer Sicht eine schöne Abwechslung, da nicht mehr alle Spieler warten müssen, bis sie an der Reihe sind. Indem ihr von eurer Umgebung profitiert, können Kämpfe in Baldur’s Gate III viel schneller enden, sofern ihr clever genug seid, die Hilfsmittel und Gebiete um euch herum zu nutzen.
 
EIN HAUCH VON KLASSE
Ganz ähnlich wie bei Divinity: Original Sin II, beginnt ihr bei Baldur’s Gate III, indem ihr euch für einen benutzerdefinierten Charakter entscheidet oder eine der „Origin“-Geschichten auswählt (die verbleibenden füllen dann eure Begleiterliste aus). Zur Auswahl steht eine breite Palette an D&D-Rassen, darunter Mensch, Elf, Halbelf, Zwerg, Halbling, Tiefling, Githyanki und Halb-Drow, wobei Larian-CEO Swen Vincke für den Release sogar noch weitere verspricht. 

Zu diesem Zeitpunkt wählt ihr auch die Klasse eures Charakters aus. Dies ist eine wichtige Entscheidung, denn sie ist bindend und bestimmt alle Fähigkeiten, die euch im weiteren Verlauf der Geschichte zur Verfügung stehen. Die gute Nachricht ist, dass bei so vielen Rassen und Ausgangspunkten sowie Pfaden, die ihr aufgrund von missglückten Fertigkeitsprüfungen leicht verpassen könnt, Baldur’s Gate III mit Sicherheit viel Wiederspielwert bieten wird.
FILMMAGIE
Baldur’s Gate III wird mit Motion-Capture-Zwischensequenzen aufwarten, um die Figuren wahrhaftig zum Leben zu erwecken. Die Larian Studios haben nach der Schließung von Telltale Games mehrere Entwickler übernommen, insbesondere solche mit Cinematics-Erfahrung. Auf diese Weise konnte Larian in Zwischensequenzen so hautnah wie nie zuvor an die Figuren heranführen, sie gestikulieren und interagieren und generell viel mehr bewegen lassen. Laut Larian selbst ist Baldur’s Gate III sowohl in Bezug auf das Budget als auch auf das dahinter stehende Team ein Triple-A-Spiel, und wir erwarten, dass sich dies in der Performance während des gesamten Spiels bemerkbar machen wird.

Während also die Einflüsse von Larians früherer Arbeit durchaus vorhanden sind, ist Baldur’s Gate III jedoch ein ganz eigenes Werk, das die Welt und die Systeme von Dungeons & Dragons einbezieht und gleichzeitig auf den Erfahrungen und Grundlagen des Studios aufbaut. Kurzum: Wir können kaum erwarten, es auszuprobieren. Und ihr?